
Neulich habe ich gelernt, dass wir in der Westwindzone leben. Das ist eine Zone zwischen dem 40. und 60. Breitengrad (wir wohnen bei ungefähr 51 Grad), also mitten drin. Darüber habe ich nie nachgedacht. Es ist eben so. Na und?
Das bedeutet jedoch, dass bei uns Westwinde vorherrschen. Wir haben zwar immer Westwind, aber meistens. Und das wiederum bedeutet: Der Wind ist lange über dem Meer unterwegs gewesen, ehe er hier ankommt. Dadurch haben wir hier gute Bedingungen zum Leben. Denn während er über das Meer weht, nimmt die Luft Feuchtigkeit auf. So werden Wolken vom Meer her in Richtung Osten gepustet. Und damit kommt die Feuchtigkeit zu uns.
Außerdem hat der Wind, der so lange über dem Meer war, er auch die gemäßigten Temperaturen von dort mitgebracht. Mild, ohne große Temperatursprünge.
Klar, manchmal gibt es auch Nordwind. Oder Ostwind. Mein Vater sagte im Winter immer, wenn es Ostwind gab: Jetzt wird es kalt - denn dann kommt die trockene Luft, die sich über hunderte von Kilometern aus Russland und anderswo zu uns auf den Weg gemacht hat. Sie ist über Land unterwegs gewesen - ohne den Temperaturausgleich des Meeres. Das kann sehr kalt (im Winter) und sehr warm (im Sommer) sein.
Warum ich Ihnen das erzähle? Wir sind hier ja nicht im Erdkundeunterricht.
Ich finde, wir haben es hier gut getroffen mit der Westwinddrift. Doch das merke ich nur, wenn ich darüber nachdenke. Meistens halte ich Dinge wie den Wind für selbstverständlich – und beachte es nicht weiter.
Wenn ich es denn doch merke, dann nehme ich mir vor: ich möchte gerne bewusst das wahrnehmen, was unspektakulär normal scheint.
Ich möchte üben, dankbar zu sein für die alltäglichen Wunder des Lebens - und dafür, dass Gott sie uns zur Verfügung stellt, auch wenn wir sie nicht wahrnehmen.
Ich bin sicher, da gibt es viel mehr als die Westwinddrift.
Übrigens war das die Motivation dafür, dass die Schöpfungsgeschichten (es stehen ja mehrere in der Bibel=) aufgeschrieben wurden. Das Ziel war es nicht, naturwissenschaftlich korrekt zu erklären, wie die Welt entstanden ist. Das Ziel war, die Augen zu öffnen für das Wunder, das wir leben können und uns am Leben freuen können. Weil es eben gut ist. Ja, sogar sehr gut ist.
Superintendent Ottomar Fricke, Kirchenkreis Walsrode