
Es sind Herbstferien. Manche von uns haben Urlaub.
Was ich im Urlaub immer besonders mag: Ich kann alles langsamer angehen lassen. Ich muss nicht morgens auf eine Liste gucken und Punkte abarbeiten. Ich freue mich, wenn an einem Tag mal gar nichts anliegt und ich langsam und in Ruhe den Urlaub genießen kann.
Vor einigen Jahren haben uns Freunde in die Halberstädter Kirche eingeladen. Dort wird ein seltsames Orgelwerk aufgeführt. Das Musikstück wird seit September 2001 gespielt und dauert 639 Jahre. Der erste Akkord bestand aus drei Tönen. Und erst im Juli 2004 kamen zwei weitere Töne dazu!
Die Tasten sind mit Sandsäcken fixiert, weil kein Organist der Welt sie Tag und Nacht drücken kann. Im Herbst 2640 soll die Aufführung enden.
John Cage komponierte dieses seltsame Orgelwerk und nannte es „So langsam wie möglich“ – „as slow as possible“.
Cage will mit der Tempovorschrift „so langsam wie möglich“ die Zeit aufhalten und fast anhalten.
Unser Leben fährt schnell dahin – als flögen wir davon. So heißt es in Psalm 90, und so erlebe ich es auch oft, denn Beschleunigung ist das Kennzeichen unserer Zeit.
Dieses Musikstück ist für mich eine originelle Zeitkritik. Cage will „Entschleunigung“ und viele Menschen haben beim Hören dieser meditativen Klänge das Gefühl, ein Stück Ewigkeit zu erleben.
Ich mag die Idee, weil sie ein Gegenentwurf ist zu dem, wie ich oft lebe. Endlich mal nicht: So schnell wie möglich – sondern stattdessen so langsam wie möglich.
Ein Stück Urlaub, das hoffentlich ein bisschen den Alltag beeinflusst.
Pastorin Ute Hülsmann