Regentropfen glitzern auf bunten Blättern. Die Herbstsonne schillert darin.
Auf dem Rasen allerdings weist diese Pracht auf eine unwillkommene Arbeitsaufgabe: Das Laub muss ich nachher zusammen harken.
Mir geht durch den Kopf: Waren die Blätter nicht gerade noch in wunderbar verschiedenen Grüntönen aufgetaucht? Hatten sie nicht kürzlich Frühling verkündet? - und jetzt muss ich sie braun und raschelig als Abfall zusammenkehren.
Andererseits: Ich freue mich schon darauf, am Abend mit einem heißen Glas Tee vor dem Ofen zu sitzen und entspannt in die Flammen zu schauen.
"Gott hat alles schön gemacht zu seiner Zeit" so lautet ein Satz aus der Weisheitsliteratur der Bibel (Koh 3, 11). Es ist immer weise, nach dem Schönen und Beglückenden Ausschau zu halten.
Dabei betont der Weise, dass man in einer Sache oft sowohl das Wunderbare und das Erschreckende entdeckt. Die Schönheit der Farben im Herbst - das Zusammenzucken, weil wieder ein Jahr zu Ende geht. Beides gehört zusammen.
Und der Prediger fährt fort: "Gott hat alles schön gemacht zu seiner Zeit - auch hat er die Ewigkeit in der Menschen Herz gelegt; nur dass der Mensch nicht ergründen kann das Werk, das Gott tut, weder Anfang noch Ende."
Wenn ich den Kreislauf von Werden und Vergehen der Blätter anschaue, vom ersten zarten Grün bis zum farbenprächtigen Abgang, dann erinnere ich mich: Das war im letzten Jahr auch so. Und im Jahr davor. Es spricht viel dafür, dass es auch 2025 ganz ähnlich sein wird. Mir ist "die Ewigkeit ins Herz gelegt". Aber wie das geht, welcher Sinn dahinter steht und ob es wohl wirklich bis in alle Ewigkeit so bleibt, dass kann ich nicht ergründen. So soll es für heute reichen, dass ich die glitzernden Tropfen bestaune und mich freue am Licht des Tages, das sich in ihnen spiegelt.
Ottomar Fricke, Superintendent im Kirchenkreis Walsrode