„Mitgegeben auf den Weg"

Nachricht 27. Februar 2015

Reminiszere heißt der morgige Sonntag. Zu Deutsch: Gedenke! Erinnere! Vor vier Wochen wurden wir an die Bombardierung von Dresden erinnert, die eine sehr große Zahl von Toten zur Folge hatte. Zu den Opfern gehörten auch viele Menschen, die aus dem Osten in Richtung Westen flüchteten. Sie hatten ihr Leben vor dem Feind retten müssen, doch die Bomben aus dem nächtlichen Dresdener Himmel machten ihrem Leben ein schreckliches Ende. In den kommenden Wochen und Monaten werden wir der mehr als zehn Millionen Geflüchteten und Vertriebenen gedenken, die vor siebzig Jahren die Heimat in den ehemaligen deutschen Ostgebieten verlassen mussten. Auch in den Kreis Fallingbostel kamen sie zu Tausenden, jedenfalls soweit sie die Strapazen und das Elend der Flucht und Vertreibung überhaupt überstanden hatten. Meine Familie und ich gehörten auch zu ihnen.

Doch inmitten von Mühsal und Sterben während der schweren Jahre gab es auch frohe und dankbare Augenblicke, derer die Betroffenen sich gern erinnern mochten. Ein Beispiel gab der Pfarrer aus Wohlau, aus unserer Kreisstadt, der mit seiner Gemeinde flüchtete. Zu ihr gehörten auch die Kinder, die wenige Wochen später konfirmiert werden sollten. Nun flüchteten sie alle vor den russischen Soldaten. Pfarrer Hoppe lud die „Fluchtgemeinde“ unterwegs in die Goldberger Kirche ein und feierte mit Kindern und deren Müttern eine Notkonfirmation. Die Kinder erschienen in alltäglicher Kleidung, ohne Bibel, ohne Gesangbuch, ohne ihre Väter, die an der Front kämpfen mussten. Der Pastor versammelte die Kinder am Altar, er betete mit ihnen, er sagte jedem Einzelnen ein Wort aus der Bibel. Sie alle wurden gesegnet und gingen als Konfirmierte hinaus auf die weitere Flucht. Der Fluchtwagen war anschließend ihr stiller Feierplatz. Wie gut, wenn auch belastende Erinnerungen mit tiefer Dankbarkeit verbunden sein können, und Gott mit Worten der Bibel Hoffnung keinem lässt.

Werner Krutscher, Pastor i. R.
 

Übersicht Andachten