„Gedanken zur Zeit"

Nachricht 13. Oktober 2015

Vertrieben aus Schlesien vor 70 Jahren

In diesem Jahr erinnern wir uns an die Flucht vor 70 Jahren aus den damaligen Ostgebieten Deutschlands. Wir Kreis - Wohlauer flüchteten am 22. Januar bei minus 20 Grad vor der russischen Armee mit dem Ziel Tschechei. Das Leben schien dort einen gewissen Schutz zu bieten, doch der Preis der Flucht war hoch. Sie war beschwerlich, und nicht alle waren den Strapazen gewachsen. Vor allem Kinder unter zwei Jahren starben in der Kälte. Als wir nach Kriegsende zu Pfingsten von dort zurückkehrten, fanden wir verwüstete und abgebrannte Häuser vor. Weitaus schlimmer waren die Toten daheim, die von russischen Soldaten erschossenen worden waren. Als Zurückgekehrte waren wir wieder daheim, aber die Zeit bis zur Vertreibung war mühevoll und entwürdigend. Viele starben, weil es keinen Arzt und keine Medikamente gab. Die tägliche Nahrung war bescheiden, Kinder erhielten keinen Unterricht. Alle Rechte lagen bei den neu Hinzugezogenen aus dem Osten Polens. Aus Besitzern waren Untermieter geworden, und am 18. August 1946 wurden wir in den Westen abgeschoben. Heute nennen wir diesen Vorgang „Vertreibung“. Die Bahnfahrt in Viehwaggons war menschenunwürdig. Über dreißig Personen waren in jedem Waggon, und das mehrere Tage hindurch. Die Endstationen waren Thüringen, dann Orte in der Heide: Benefeld, Walsrode. Von dort erfolgte die Verteilung auf die Orte im Kreis. Für die Bürgermeister war es eine schwierige Aufgabe, die Vertriebenen auf die Häuser zu verteilen. Wir Vertriebenen in der Heide und überall im Westen gehörten zu den 14 Millionen, die unter Zwang ihre Heimat verlassen mussten. Die großen Drei hatten dies so entschieden. Wir Vertriebenen brachten unseren christlichen Glauben mit als Evangelische und Katholiken. Wir suchten Kontakte zu den Einheimischen und scheuten die Arbeit für ein neues Zuhause nicht. Auch in Eilte waren Vertriebene angekommen. Weil es im Dorf keine Kirche gab, luden sie zu einem Gottesdienst auf einer Wiese im Ort ein. Der Ahldener Pastor Kemner unterstützte die Feiernden beim Singen und Beten. Er predigte das Wort von Jesus Christus, von seinem Heil und Frieden. Der ungewöhnliche Gottesdienst auf der Wiese gab den Anstoß für die Jugendtage in Ahlden unter den Eichen.

Werner Krutscher, Pastor em.

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