„Gedanken zur Zeit"

Nachricht 22. Februar 2017

Im Mai fahre ich zum Kirchentag nach Berlin. Seit einigen Tagen habe ich eine Postkarte mit dem Logo und dem Motto des Kirchentages auf meinem Schreibtisch: Auf orangefarbenem Hintergrund schauen mich zwei fröhliche Wachelaugen an und darunter steht (leicht gebogen, als wäre es ein Lächeln): „Du siehst mich“ aus dem 1. Buch Mose.
Gesehen werden – wollen wir das denn nicht alle? Doch meistens wollen eigentlich doch nur, dass unsere schönen Seiten Beachtung finden: „Oh, du siehst heute aber gut aus!“ „Das hast du toll gemacht!“ „Du bist so stark/mutig/fleißig/ordentlich...“ Die häßlichen, blöden, erfolglosen, morgenmuffeligen, feigen Seiten an uns versuchen wir ja meistens zu verbergen oder zeigen Sie nur unseren Partnern, engen Freunden und Familien - denen, die es trotzdem gut mit uns meinen und uns dennoch mögen und lieben.
Die Postkarte auf meinem Schreibtisch erinnert mich zur Zeit daran, dass Gott alle Facetten von mir kennt, noch mehr als alle Menschen, die mir nahe stehen. Und auch Gott meint es gut mit mir, wie auch mit allen anderen. Nicht, dass er alles gut findet, was wir Menschen tun – dafür passiert zu viel Unheil in der Welt. Aber sein Blick ist dennoch liebevoll und zugewandt. Als wollte er mit einem Lächeln sagen: „Ich bin für dich da!“ oder „Hej, ist doch nicht so schlimm!“ oder auch „Mensch, so geht das nicht weiter! Ich zeige dir einen anderen Weg.“ Ich glaube daran, dass Er uns nicht nur sieht, sondern auch versteht, wie wir denken, fühlen, handeln – besser, als wir selbst es tun.
Ich werde die Postkarte wahrscheinlich auch nach dem Kirchentag noch ein bißchen an ihrem Platz liegen lassen. Als kleine Erinnerung daran, dass Gott mich auch dann sieht und da ist, wenn mal wieder etwas schief läuft. Und als Aufforderung, auch andere ein bißchen freundlicher und gnädiger anzusehen.
Und, wem werden Sie heute einen freundlichen Blick schenken?

Diakon Olaf Ruprecht

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