„Gedanken zur Zeit"

Nachricht 23. Mai 2017

„Du siehst mich!“

 Ein Mann liegt am Boden. Er ist gefallen, weil seine Beine ihn nicht mehr aufrecht halten konnten. Es riecht nach Alkohol. Der Mann liegt zwischen Tankstelle und Supermarkt auf dem Fußweg neben der Hauptstraße. Lichtkegel der Autos treffen ihn. Zum Feierabend ist viel Verkehr auf der Straße – aber keiner sieht ihn.
„Du siehst mich“ (1. Mose 16,13), sagt Hagar ganz erstaunt zu Gott. Unrecht zwang sie zur Flucht. Ihr Leben liegt am Boden. Gott sieht sie und nimmt ihre Situation ernst. Egal wer sie ist und egal was vorgefallen ist. Er geht nicht einfach so an ihr vorbei. Daraus kann sie Kraft schöpfen.
In jedem Menschen gibt es die Sehnsucht danach, gesehen zu werden. Jemanden links liegen zu lassen und so zu tun, als wenn man ihn nicht sehen kann, verletzt manchmal tiefer als Schnittwunden.
„Du siehst mich“, mit diesem Motto im Gepäck startet heute in Berlin und Wittenberg der Deutsche Evangelische Kirchentag. Ein Kirchentag ist keine Insider-Veranstaltung, sein Motto will alle zum lauten Nachdenken und genauem Hinsehen herausfordern: Wie geht es den Menschen in meinem Ort?
Die Szene um den Mann am Boden hat sich letzten Herbst in unserer Region tatsächlich zugetragen und sie geht ging aus:
Irgendwann hält doch ein junger Mann an. Er hat den Mann am Boden gesehen und konnte nicht weiterfahren. „Nur schnell nachsehen, ob er Hilfe braucht und vielleicht die Polizei rufen.“, denkt der junge Mann bei sich.

Pastor Christian Nickel, Bomlitz

Übersicht „Andachten"