„Gedanken zur Zeit"

Nachricht 11. September 2017

Mädchenauge

 Im Klostergarten blüht jetzt dank des intensiven Gelbs sehr schön das „Mädchenauge“, eine wörtliche Übersetzung des lateinischen Namens coreopsis.  Die kräftige gelbe Farbe wird ergänzt durch das tiefdunkle Zentrum, eben das Auge der Blüte. Die Blütenkissen beherrschen unser Staudenbeet, indem die Blüten auf zarten Stängeln sich leise im Wind wiegend einen sehr anmutigen Eindruck hinterlassen. Zart, anmutig, leise bewegend – das sind Eigenschaften, die traditionell dem weiblichen Geschlecht zugeschrieben werden. Daher (und natürlich wegen des Namens) findet diese Pflanze ihren Platz im Frauenkloster, wo aber auch der Frauenmantel, alchemilla, steht und viele Heilpflanzen, wie die Melisse, melissa, die Echinacee, echinacea, ja sogar die Rose, die als rosa gallica offcinalis ebenfalls zu den traditionellen Heilpflanzen eines Klostergartens gehört. So spiegelt dieser Garten etwas vom klösterlichen Leben wider, das zu erkennen mitunter im Verborgenen liegt. Und gerade das ist klösterlich: nicht alle Dinge deutlich zu benennen, sondern ihren Symbolgehalt zu erkennen. Vieles kann dann empfunden werden und dies ganz individuell, weil Empfindungen eine sehr individuelle Angelegenheit sind.

Dann ist das „Mädchenauge“ der Bote des Spätsommers oder des Frühherbstes, je nachdem, wo wir uns innerlich befinden. Jedenfalls sonnengelb, freundlich, warm und heiter – Stimmungen, die immer erfreuen.
 
Äbtissin Dr. Sigird Vierck, Kloster Walsrode
 
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