„Mitgegeben auf den Weg"

Nachricht 31. Januar 2017

Oben auf dem Berg schien die Sonne und ließ die Schneefelder golden leuchten.  Aber bei der Fahrt vom Schloss in die nahe Kleinstadt tauchte der Bus in kalten Nebel ein. Der machte es noch etwas kälter,  grauer und garstig ungemütlich.
Glatt der Weg am zugefrorenen Flüsschen entlang. Bizarre Eismuster hatte er gebildet in seinem engen gemauerten Kanalbett, in dem er die Stadt durchfloss. In einer langen Reihe zitterten sich die Konfirmandinnen und Konfirmanden den schmalen Uferweg entlang. Vom Bus zum Museum. Vorbei am grauen massigen Turm der Taufkirche. „Der fließt ja noch!“ rief es plötzlich vor mir. Ein Eisloch ließ den Blick frei auf das munter spritzende und schnell sprudelnde Wasser, das rasch wieder unter die kleinen Eisschollen tauchte. Bei jedem weiteren Eisloch, rief ein anderer ganz ähnlich: „Hey, das fließt ja!“, „Mensch, ist ja gar nicht zugefroren!“

Bestimmt haben sie das vergessen. Denn eigentlich ging es an diesem kalten garstigen Morgen ja nicht ums Wetter, sondern um Martin Luther und sein Geburtshaus, um den Kupferbergbau, in dem die Kinder damals in flachen Schächten die Erzplatten abbauten, um moderne Kriminaltechnik, die die Bildern seiner alten Eltern heute in ihr Jugendbildnis verwandeln, um das Herunterladen der App, mit der man auf Luthers Spuren durch Eisleben wandern konnte, um das Anfertigen eines Wappens als kleinen Button zum Anstecken.

Aber eigentlich hat der kleine Fluss, die „Böse Sieben“, genau bewirkt, was all das, was der berühmteste Sohn der Stadt  ihnen sagen sollte:
Schau mal hin! Der erste Blick zeigt dir nicht unbedingt die Wahrheit. Unter dem Eis fließt es. Da ist Leben, spritzig und quicklebendig. Eisleben. Lass dich nicht täuschen von Wind und Wetter, von Oberflächlichkeiten, lass dich nicht einnebeln. Erstarre nicht. Durchbrich das Eis und staune: Das fließt ja!

Rosl Schäfer, Pastorin in Walsrode

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