„Mitgegeben auf den Weg"

Nachricht 18. August 2017

Das Vaterunser als Herausforderung

Hand aufs Herz: Wenn Sie beten, mit welchem Wort beginnt Ihr Gebet?  Ist es nicht oft das Wort ‘Ich‘: „Ich bitte dich, ich danke dir…?“ Nichts gegen ein solches Beten!
Dass überhaupt noch gebetet wird in unserer weithin gottvergessenen Welt, das ist sicher schon etwas. Aber das Gebet Jesus sieht ganz anders aus. Die kurze Fassung, die wir im Lukasevangelium finden, macht es besonders deutlich:  Es geht ihm um Gott! „Vater, dein Name werde geheiligt. Dein Reich komme“ (Lk 11,3).
Und wenn es um uns selbst geht, dann haben wir eigentlich nur um zwei Dinge zu bitten:  um das tägliche Brot, d. h. um das, was wir lebensnotwendig brauchen – mehr nicht!  – und um die Sündenvergebung durch Gott und die gegenseitige Vergebungsbereitschaft.  Das sind die Themen Jesu. Das erste, das tägliche Brot, ist für uns inzwischen eine Selbstverständlichkeit, und das zweite, die Sündenvergebung, scheint für viele überhaupt kein Thema mehr. Spüren wir, welche Herausforderung in diesem berühmtesten aller christlichen Gebete liegt?
Ja, es ist in seiner Kargheit und Schroffheit weithin geradezu ein Anti-Gebet! Es gibt so viele wunderbare Gebetssammlungen, lange Meditationen, wohlgesetzte Worte – da kann Jesus eigentlich gar nicht mithalten.Das ist der erste Maßstab an unser Beten: Machen wir zu viele Worte, plappern wie die Heiden? - wie Jesus das nennt, oder beschränken wir uns auf das Wesentliche, weil der Vater ohnehin alles weiß? Glauben wir, Gott mit vielen Worten bestürmen zu müssen?
Und die zweite Anfrage: Geht es bei unserem Gebet um uns oder um Gott? Ich möchte jetzt mit Ihnen – gleichsam als Beispiel – nur den ersten Satz des Vaterunsers betrachten: „Vater, dein Name werde geheiligt“ (Lk 11,2): Gottes Name wird geheiligt, wenn wir vor ihm innehalten und schweigen, am besten mehrmals am Tag, wenigstens morgens und abends.
Gottes Name wird geheiligt, wenn wir den Mitmenschen ehrfurchtsvoll begegnen, gerade denen ohne Ansehen in der Gesellschaft. Gottes Name wird geheiligt, wenn wir dankbar die Gaben der Schöpfung empfangen und durch ein Tischgebet würdigen. Gottes Name wird geheiligt, wenn wir uns in der Öffentlichkeit zu ihm bekennen, auch wenn andere uns vielleicht schief ansehen. Gottes Name wird geheiligt, wenn wir uns dafür einsetzen, dass sein Name aus keiner Verfassung gestrichen wird. 
Gottes Name wird geheiligt, wenn wir das Lebensrecht der ungeborenen Menschen verteidigen. Gottes Name wird geheiligt, wenn wir einer weit verbreiteten Schamlosigkeit die Würde der menschlichen Geschlechtlichkeit entgegensetzen. Gottes Name  wird geheiligt, wenn wir entschieden der menschenverachtenden Computer-Spielwelt entgegentreten. Gottes Name wird geheiligt, wenn wir den Schutz der Schöpfung dem Wachstumswahn vorziehen. Gottes Name wird geheiligt, wenn er – Gott – bei uns persönlich immer an der ersten Stelle bleibt. „Geheiligt werde dein Name!“

 
Christoph Müller, kath. Pfarrer in Walsrode, Bad Fallingbostel, Bomlitz-Benefeld u. Visselhövede
 
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