„Mitgegeben auf den Weg"

Nachricht 02. November 2017

„ZUR FREIHEIT BERUFEN?“

Sind Sie mit mir einer Meinung? Davon gehe ich aus, wenn ich behaupte: „Die Freiheit und die Achtung der Menschenwürde sind die höchsten Werte, deren Beachtung uns erst menschlich im Umgang untereinander werden lässt.“. Aber wußten Sie auch, dass Sie es hier – nach biblischer Überlieferung - mit dem Herzensanliegen unseres Schöpfers zu tun haben? Sicher erinnern Sie sich: Moses erhielt von Gott auf dem Sinai die Berufung, die Israeliten aus dem entwürdigenden Sklavendasein in Ägypten zu befreien. Und der Apostel Paulus schrieb an die Galater: „Zur Freiheit hat Gott Euch berufen, laßt euch nicht erneut unter das Joch der Knechtschaft zwingen.“ (Galater 5,1). Welch wunderbares Ziel unser Schöpfer unserem Dasein gegeben hat, leuchtet unüberbietbar in seiner Beschreibung  im 8 Kapitel des Römerbriefes auf. Da schreibt Paulus sinngemäß: Gottes Geist bezeugt es unserem Geist, daß wir – und mit uns die ganze Schöpfung! – zur „herrlichen Freiheit der Kinder Gottes“ (Vers 21) berufen sind.
Was entscheidend ist, um diesem Menschheitsziel Ziel näher kommen zu können, sagt er im berühmten 13. Kapitel des 1. Brief an die Korinther: Das Vertrauen zur Gnade Gottes, die Hoffnung und die Liebe.
Als Luther durch das Studium der Schrift im Original verstanden hat, wie sehr Gott unsere Freiheit am Herzen liegt, da wurde ihm auch bewusst, in welch unsäglichen Wiederspruch und Kontrast die Kirche seit Paulus abgeglitten war. So machte er sich daran, Einiges zu beseitigen, was den Weg in die Freiheit blockierte. Er ahnte nicht, was er mit seinen Thesen zur Umkehr (Buße), die für ihn dringend notwendig geworden war, auslösen würde. Wir sind Martin Luther dafür dankbar, daß er trotz Repressalien und Todesgefahr entschlossen seinem Gewissen gefolgt ist und vor Papst und Kaiser eingestanden ist für das, was er im Angesicht Gottes als richtig erkannt hat. Heute feiern wir zusammen mit der katholischen Kirche die Reformation, weil wir durch sie zu mündigen, freien Christen haben werden können.
Was aber würde Moses, Paulus und Luther auffallen, wenn sie sehen könnten, was aus dem Gottesruf zur Freiheit inzwischen geworden ist? Moses würde entsetzt die Hände über den Kopf zusammenschlagen, wie er es schon einmal getan hat. „O Gott!“; würde er ausrufen, „Jetzt tanzt doch die ganze Menschheit einschließlich der Israeliten und der Christen um den goldenen Stier!“  Und Paulus wie Luther wären zutiefst erschrocken und traurig, wie sehr in der „freien“ Marktwirtschaft die Existenzangst die Freude am Leben der Mehrheit der Menschen überschattet und erdrückt. Unzähligen wird das Leben dadurch sogar zur Hölle. Selbst in unserem reichen Land macht jedes 5. Kind die bittere Erfahrung, erniedrigt, entwürdigt und ausgegrenzt zu werden, weil seine Eltern arm sind. Schon in den ersten Lebensjahren wird den Kindern die düstere Botschaft der Marktwirtschaft eingetrichtert: ‚Du musst Dir das Recht zu leben und teilzuhaben erst noch verdienen – mit den Leistungen, die man von dir schon vom Kindergarten an, über Schule und Ausbildung bis ins Berufsleben von dir verlangen kann! Denn nur wenn du zu Geld kommst, kannst du hoffen, als Mensch geachtet zu werden!‘ Wenn selbst für Christen dieses ‚Credo‘ gilt, welche Bedeutung kann es für den Menschen heute haben, was einst Paulus wie Luther erlöst aufjauchzen lies: Dass wir uns Gnade Gottes nicht erst verdienen müssen, um uns angenommen und geliebt zu fühlen, sondern dass es einfach nur darauf ankommt, der Liebe unseres Schöpfers zu jedem Menschenkind zu vertrauen?
So stellt sich heute die Frage: Wie müssten wir wirtschaften, damit wir nicht zu Sklaven des Geldes werden, die bereit sind, sich und die Zukunft um des Profits willen zu verraten? Was meinen Sie? Könnte es nicht sein, daß uns unser Schöpfer längst anruft, bloß nicht länger in die unheilvolle Richtung zu trotten, sondern umzukehren (Luther sagte dazu in den 95 Thesen „Buße“) und nach einer Form des Wirtschaftens zu suchen, die uns der „herrlichen Freiheit der Kinder Gottes“ näher bringt?
Längeres Nachdenken über unseren Weg als Einzelne wie als Menschheit paßt sicher sehr gut in diesen Monat November. Möge Gott Sie dazu segnen!

Ihr Helmut Schöfer, Pastor i.R.

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