„Gedanken zur Zeit"

Nachricht 21. Januar 2018

Die Uhr tickt

Solange ich keine Uhr hatte, hatte ich Zeit. Kaum aber war die Uhr da, war sie futsch, die Zeit. Mal ersehnt, mal gefürchtet, weltweit hält sie Menschen in Atem! Manchmal tun wir sogar so, als ob die Zeit eine Person wäre. Wir sagen dann: Sie kommt, holt uns ein, geht vorüber, steht plötzlich still, läuft einem davon. Mal „vertreiben“ wir sie oder laufen hinter ihr her. Oder wir behandeln sie wie einen Gegenstand, äußerst kostbar, aber kaum zu bändigen, schwer zu handhaben. Also „nehmen“ wir uns Zeit oder finden Zeit, geben Zeit, verschenken oder vertun unsere Zeit, gewinnen oder verlieren Zeit oder stehlen sie einem anderen, dessen Zeit.
Kaum zu glauben, wie einfühlend und erfinderisch, aber auch wie besitzergreifend wir Menschen mit unserer Zeit umgehen! Im Bild einer Wegstrecke, zum Beispiel, „überschreitet“ man seine Zeit. Sie ist einem zu kurz oder dehnt sich, wird einem zu lang. Im Bild der Sanduhr verrinnt die Zeit, läuft ab. Selbst der Blick in den Geldbeutel fehlt nicht. Denn Projekte „kosten“ Zeit, und Zeit will man sparen, nicht verschwenden, vergeuden. Zeit ist eben Geld.
Wie gesagt, die Uhr tickt. Doch das gleichmäßige, lautlose Kreisen ihrer Zeiger täuscht. Denn im wirklichen Leben ist keine Stunde einer anderen gleich, da reihen sich Augenblicke verschiedenster Qualität aneinander, Momente des Glücks neben Phasen der Eintönigkeit. Kostbare Lebenszeit also, die wohldosiert und wohlüberlegt jedem Menschen zugeteilt wird. Liebevoll übereignet: „Mach‘ das Beste draus!“

Friedrich-Wilhelm Stock, Superintendent i.R.