„Gedanken zur Zeit"

Nachricht 18. Februar 2018

Eigentlich ist es unglaublich. Die ursprünglich kirchliche Fastenzeit ist eine große „Erfolgsgeschichte“ geworden. Weit über die Kirchen hinaus. 60 % der Menschen wollen verzichten und so ihre Freiheit erproben. Mancher kommt dabei auch an die eigene Schmerzgrenze und übt seine Leidensfähigkeit. An diesem Punkt kommt die Fastenzeit an das heran, was die Zeit vor Ostern für Christen auch ist: Passionszeit.
Christen erinnern sich und andere, dass Jesus von Nazareth ebenfalls gelitten hat. Am Ende seines Lebens wird er gefoltert und am Kreuz hingerichtet.
Was kann einem die Erinnerung an Jesus geben? Wenn man die Zeit vor Ostern nicht nur als Fastenzeit erlebt, sondern auch als Passionszeit. Beides in ihr erlebt: Freiheit im Verzicht und Sensibilität für Leid.
Eine Antwort liegt vielleicht in einer kleinen Episode, die Lukas in der Bibel erzählt. Sie hat mich oft berührt. Als Jesus sich der Stadt Jerusalem näherte, erzählt Lukas, und sie vor sich liegen sah, weinte er über sie: „Wenn doch auch du heute erkannt hättest, was dir Frieden bringt!“(Lukas 19,41f)
Jesus weint, weil seine Stadt, diese Welt so abgründig friedlos ist. So unfähig und unwillig zum Frieden. Nicht nur Jerusalem damals, wir bis heute.
Und ich finde damit zwingt und ermutigt er uns, hinzusehen auf die Friedlosigkeit in mir und um uns. Jesus nimmt sie nicht als gegeben hin. Er spürt wie widersinnig sie ist. Er leidet darunter und er leidet mit den Menschen Jerusalems. Den Menschen aller Zeiten. Weil sie Opfer sind von Unfrieden und oft zugleich auch Täter.
Die Passionszeit ist dazu da, sich neben Jesus zu stellen und hinzuschauen, wo Menschen leiden. Müssten uns angesichts der Friedlosigkeit unserer Welt nicht auch die Tränen kommen? Und auch, wenn wir selber friedlos sind. Tränen der Scham! So erlebt, könnte mich die Passionszeit durchlässiger machen, für Not und Leid anderer. Vielleicht auch kämpferischer dagegen. Eines jedenfalls nicht: dickhäutig und abgestumpft. Dann besser weinen.

Claus van Veldhuizen, Pastor in Kirchboitzen

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