Gedanken zur Zeit

06. Juli 2018

Einen Schritt zurück…

Erwartungen und Ansprüche – an uns selbst und an andere – gehören zum menschlichen Leben. Es läuft und verläuft nicht alles von allein und ohne persönlichen Einsatz. Für den „kultivierten Menschen“ liegt es nahe, nicht nur von dem anderen und den anderen, sondern eben gerade von sich selbst einiges oder recht viel zu erwarten. Von nichts kommt nichts – mit gutem Beispiel voran gehen….
Doch irgendwann, in Folge, kommt die Erwartung dann doch, es nicht allein anzugehen. Der andere, die anderen mögen doch bitte auch..
Nur ein „ur-deutsches“ Beispiel ist das der Pünktlichkeit. Das möglichst genaue verbindliche Ankommen im Beruf, bei den Verkehrsmitteln – auch beim Familientreffen oder bei Freunden. Niemand möchte gern warten – der schon genannte kultivierte Mensch möchte sicher auch nicht, dass andere auf ihn warten müssen.
Da gibt es auch nichts zu schmunzeln oder zu lästern. Das ernsthafte Bemühen, dem gerecht zu werden, ist klar vorauszusetzen. Nachlässigkeit ist auch Missachtung.
Allerdings gibt es auch die Nichtberechenbarkeit, die Unvorhersehbarkeit von Lebenssituationen, Ereignissen, die wir unmittelbar erfahren oder auch nur am Rande, aus dem „Augenwinkel“ mitbekommen. Da erleben wir etwas, das wir nicht einfach übersehen oder überhören können. Das kann der Hilferuf, die Schwäche eines anderen sein, die uns „anhalten“ lässt, den Terminkalender zurückstellt. Das kann ein eigenes Stolpern, eine eigene Schwäche sein, die uns sogar zum Anhalten zwingt, Grenzen aufzeigt. Sich Zeit nehmen dürfen/ müssen für andere, für sich selbst – wo Not wahrgenommen wird.
Das „Eigentliche“, das, was das Leben uns wirklich fragt, steht zuweilen nicht auf dem Terminkalender. Das Ausblenden, das Wegsehen und Weghören bei Kummer und Leid – es kann abnehmen, wenn wir anhalten, einen Schritt zur Seite oder auch zurückgehen und uns darum „kümmern“.

Harald Werner, Dipl.-Pädagoge in der Lebensberatungsstelle Walsrode

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