Gedanken zur Zeit

10. Oktober 2018

Eins, zwei, drei, vier, fünf – mit den Fingern einer Hand gezählt. Wie stolz war ich in der Kindheit, als ich dann auch die Finger der anderen Hand hinzu zählen konnte. Jahre später in der 10. Klasse: Rückgabe der ersten Mathearbeit - Notendurchschnitt schlechter als ausreichend. Unser Mathematiklehrer wollte damit nicht zufrieden sein. Am nächsten Tag, ein Schulhalbjahr lang, begann jede Mathestunde mit der „10er Übung“:  Matrizengefertigte Zettel wurden ausgeteilt, 10 Aufgaben darauf waren zu lösen, dann wurde eingesammelt.
35 Zettel trug unser Mathelehrer jeden Tag nach Hause. Am nächsten früh hielt jeder seinen Zettel korrigiert in der Hand; immer wieder wurden Aufgaben gemeinsam buchstäblich nachgerechnet. Sie hatte was gebracht, diese tägliche „10er Übung“ – das wurde am Ende des Halbjahres deutlich. Eins, zwei, drei – tausend: Gott, barmherzig und gnädig und geduldig, der da Tausenden Gnade bewahrt und vergibt Missetat, Übertretung und Sünde  – so heißt es in der Bibel. Wenn wir so von Gottes Gnade erzählen hören, betrifft das unser Zählen und Erwägen im Blick auf uns selbst, auf andere? Zählen wir die Ereignisse vor 28 Jahren in unserem Land zu den Gnadenstunden, die wir erlebten, miterleben durften? Öffnung der Mauer, dann der Weg zur Einheit – kein leichter, auch ein noch nicht vollendeter Weg – und doch buchenswert als Gnadenstunden? Eins, zwei, drei … fünfzig – Goldene Konfirmation. 1968 konfirmiert, habe ich gerade die goldene Konfirmation mitfeiern, miterleben dürfen. Ja: manches Gute ist auf mich gekommen ohne mein Zutun. Zählen auch die Umwege zu dem, was ich heute mein Leben nenne? Gott, barmherzig und gnädig und geduldig. Will er nicht von uns lassen, schaut er nach Verbündeten, die täglich zu üben suchen, barmherzig, gnädig und geduldig zu sein?

Pastor Werner Schäfer, Stadtkirche Walsrode

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