Mitgegeben auf den Weg

15. März 2018

Perspektivwechsel

Wir sitzen in der Straßenbahn. Alles ist entspannt. Dann steigt ein Mann mit seinen Kindern ein. Die Kleinen sind laut und ungestüm. Die Stimmung ändert sich abrupt. Der Mann setzt sich neben mich und macht die Augen zu. Er nimmt die Situation offenbar überhaupt nicht wahr. Die Kinder schreien herum, werfen Sachen hin und her, zerren sogar an den Zeitungen der anderen Fahrgäste. Doch der Mann neben mir unternimmt nichts.
Geduldig und mit großer Zurückhaltung spreche ihn an: Ihre Kinder stören wirklich sehr viele Leute hier. Können Sie Ihre Kinder nicht ein wenig beruhigen?“
Der Mann hebt die Augen, als ob er sich zum ersten Mal der Situation bewusst wird, und sagt leise: „Oh, Sie haben Recht, ich sollte etwas dagegen tun. Wir kommen gerade aus dem Krankenhaus, wo ihre Mutter vor einer Stunde gestorben ist. Ich weiß nicht, was ich denken soll, und die Kinder haben vermutlich auch keine Ahnung, wie sie damit umgehen sollen.“
Können Sie sich vorstellen, wie man sich in solch einem Moment fühlt. Die Perspektive ist von einem Augenblick auf den andere eine völlig neue. Ich sehe, denke, fühle und verhalte mich anders.

So erleben wir manches Wechselbad in unserem Leben. Am Sonntag darf ich über Petrus (lat. Fels), meinen Namensvetter, predigen. Jesus sagte einst zu ihm: „Du bist Christus, und auf diesen Felsen will ich meine Gemeinde bauen.“ Jesus traut Petrus eine Menge zu. Er ist der kommende Stern am Horizont der Kirche. Petrus wird überheblich. Egal, was passieren wird, Petrus ist bereit, an der Seite Jesu zu sterben. Aber Jesus weiß es besser: Ehe der Hahn kräht, wirst du dreimal behaupten, dass du mich nicht kennst. Der Hahn kräht. Petrus weint bitterlich. Aber anders als Judas geht er in seinem Scheitern nicht unter. Er lässt sich später von dem Auferstandenen ansprechen. Er erfährt, Jesus hält auch an den Gefallenen fest. Er steht zu seinem Wort. Jesus schaut aus allen Perspektiven.

Peter Gundlack, Bad Fallingbostel

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