Mitgegeben auf den Weg

15. September 2018

„Wie geht's?" fragt mich jemand. „Gut", will ich gerade schon antworten. Da muss ich zögern. Die letzten Tage kommen mir in den Sinn. Längst nicht alles war da glatt und „gut". Und überhaupt: Reicht denn ein einziges Wort, um zu beschreiben, wie es mir geht?
Also hole ich tief Luft - und will etwas ausführlicher ausholen. Aber mein Gegenüber hört gar nicht mehr hin. Und ist schon längst beim nächsten Thema.
„Wie geht's?" Ganz ehrlich: Auch ich sage das manchmal und meine es nicht wirklich ernst. Man kommt halt leichter ins Gespräch mit dieser Frage. Wirklich wissen, wie es dem anderen geht, will ich manchmal gar nicht. Oft fehlt mir einfach die Kraft dafür. Echtes Interesse ist selten. „Wie geht's?" Auch Menschen, die sich mögen, wollen da längst nicht immer die ausführliche Version hören.
„Wirf dein Anliegen auf Gott" lese ich in der Bibel. So steht es in den Psalmen. Und tatsächlich: In dieser bunten Sammlung von Gebeten haben Menschen Gott ausführlich erzählt, wie es ihnen geht. Ohne Hemmungen, ohne Tabus schleudern sie Gott ihre Gefühle entgegen. Ein Feuerwerk der Emotionen ergibt das.
„Ich versinke in tiefem Schlamm, wo kein Grund ist"! (Psalm 69,3), schreit da jemand. „Ich bin geworden wie ein zerbrochenes Gefäß" (Psalm 31,13), so das triste Resümee an anderer Stelle. Woanders dann gar der verzweifelte Ruf: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?" (Psalm 22,2) Nicht genug also, dass Gott persönliches Leid geklagt wird. Gott wird sogar an-geklagt. Und er scheint das auszuhalten.
Gott kann man anscheinend alles sagen. Viele haben gespürt: Er hat echtes Interesse. Er lädt Menschen ein, ehrlich zu sein, ihr Herz auszuschütten. Gott hat noch nicht genug mit sich selbst. Er hält auch Klagen aus, und An-Klagen.
Echtes Interesse. Mir tut das gut, wenn ich alles sagen darf, wirklich alles. Und wenn ich merke: Da hört jemand hin. Hört mir zu. Und nimmt mich dabei ernst. „Wirf dein Anliegen auf Gott" ... und es wäre doch gut möglich, dass echtes Interesse ansteckend wirkt. Vielleicht kann ich mich daran erinnern, wenn ich das nächste Mal frage: „Wie geht's?"

 Pastor Claus van Veldhuizen, Kirchengemeinde Kirchboitzen

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