Mitgegeben auf den Weg

29. Dezember 2018
Pastor_Hülsmann_2014
Pastor Hülsmann

„Kannst du dich bitte hinsetzen? Ich kann nichts sehen.“ Ich erinnere mich genau an die Szene: Wir feierten den Abschlussgottesdienst des Kirchentags. Hunderttausend Menschen saßen auf der Wiese und schauten auf die große Videoleinwand. Nur einer saß nicht. Mit breiten Beinen und einem schwarzen Ledermantel stand er da. Einen schwarzen Cowboyhut auf dem Kopf und einen dunklen Rucksack lässig über eine Schulter gehängt. Schwarze Hornbrille, schwarzes Hemd, schwarze Hose. Während vorne der Gottesdienst lief, spürte ich: Hier passiert gleich was.
„He, du da, kannst du dich bitte mal hinsetzen!“ Die Stimme des schmächtigen Mannes im roten T-Shirt wurde lauter. Er stand auf, flüsterte dem schwarzen Mann etwas ins Ohr und setzte sich wieder hin. Aber der Cowboy blieb stur stehen. Schon seine Körperhaltung war eine Provokation. Plötzlich sah ich einen Turnschuh durch die Luft fliegen. Der Mann im roten T-Shirt warf dem schwarzen Störenfried seinen Schuh ins Kreuz. Der schwarz Bemäntelte drehte sich betont lässig um und sagte mit widerlich ruhiger Stimme zum Turnschuhwerfer: „Das war Ihr schwächster Moment.“
Wir alle im Umkreis spürten, wie die Situation allmählich eskalierte. Da vorne feierten sie Gottesdienst, und hier hinten gab es gleich eine Prügelei. Der schwarze Mann genoss spürbar unsere Blicke.
Dann stand ein junges Pärchen auf, das vorher engumschlungen vor mir gesessen hatte. Er nahm seine Freundin auf die Schultern wie bei einem Popkonzert und stellte sich hautnah vor den schwarzen Cowboy. Der sah plötzlich selber nichts mehr, nur noch den Po der einfallsreichen Freundin direkt vor seiner Nase. Alles lachte, und selbst unser monochromer Provokateur musste schmunzeln.
Ich finde, das ist ein gelungenes Beispiel für die Jahreslosung 2019: „Suche Frieden und jage ihm nach!“

Matthias Hülsmann, Pastor in Loccum

 

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