Gedanken zur Zeit

30. Januar 2019
Pastorin Ute Hülsmann

Am vergangenen Sonntag, den 27. Januar war der offizielle Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus. Am 27. Januar 1945 kamen Soldaten der Roten Armee auf das Gelände des Konzentrationslagers Auschwitz. Sie fanden dort nicht nur 8000 völlig ausgemergelte Gefangene, sondern auch die eindeutigen Spuren einer perfiden Vernichtungsmaschinerie vor. In Auschwitz wurden über Jahre hinweg Menschen systematisch getötet, mit einer Grausamkeit, die sich der menschlichen Vorstellungskraft entzieht.
Später, bei der Aufarbeitung dieses fürchterlichen Verbrechens, haben viele Menschen eine wichtige und kluge Frage gestellt: „Kann man nach Auschwitz eigentlich noch an Gott glauben?“ Nach all diesem Grauen, dieser perversen Ideologie und diesem Leid?
Ich habe auf diese Frage nicht die eine oder die richtige Antwort, aber ich habe meine Antwort: Nach Auschwitz ist es nötiger denn je, dass wir an Gott glauben. Ja, es ist nötig, dass wir an diesen Gott glauben, von dem es heißt, dass er alle Menschen liebt – und für den alle gleich würdig sind, unabhängig von Herkunft, Hautfarbe, Geschlecht oder Gesinnung.
Der Nationalsozialismus war ein durch und durch atheistisches System, aber ich weiß natürlich, dass auch im Namen Gottes viel Unrecht geschehen ist. Für mich ist die Frage deshalb nicht, ob man nach Auschwitz noch an Gott glauben kann, sondern ob wir endlich in der Lage sind, das Liebesgebot Gottes ernst zu nehmen.

Ute Hülsmann, Pastorin in Gilten

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