Gedanken zur Zeit

06. Februar 2019

Vorurteile

Ich gehe gerne ins Theater. Und wenn ich dann meinen Platz gefunden habe, möchte ich das Stück genießen und nicht mehr gestört werden. Ich möchte für eine oder zwei Stunden eintauchen in eine mir bis dahin fremde Welt.
Ein kleines Theater auf dem Gelände eines noch bewirtschafteten Hofes ist das „Theater METRONOM“ in Hütthof bei Visselhövede. Dort gibt es seit fast 25 Jahren ein Theater in einem ehemaligen Stall - oder war es eine Scheune? Auf jeden Fall gibt es auch noch landwirtschaftlich genutzte Gebäude und die Zuschauer können im Vorbeigehen einen Blick in den Kuhstall werfen.
Vor einiger Zeit besuchte ich das Theater und hoffte auf einen wunderschönen Abend. Beim Ausstieg aus dem Auto hörte ich den laufenden Motor eines sehr grossen Traktors. Der stand direkt vor dem Eingang zum Theater. „Kann man den Motor nicht wenigstens während des Stückes abstellen?“ waren meine ärgerlichen Gedanken. Aber ich traute mich nicht, meinen Ärger mitzuteilen. Und weil mich das Stück dann sehr gefangen nahm, hörte ich den Lärm des immer noch laufenden Diesels kaum noch.
Und dann - am Ende der Aufführung - dankte der „Chef“ Andreas Goehrt - ausführlich dem Landwirt, dass er seinen Traktor zur Verfügung gestellt hatte, um Strom für die Aufführung zu erzeugen.
Was ich nicht wusste: Am Nachmittag hatte es ein großes Gewitter mit heftigem Sturm gegeben. Die öffentliche Stromzufuhr war abgebrochen. Und es hätte keine Aufführung gegeben, wenn der Landwirt nicht seine „Strommaschine“ für Beleuchtung und Technik zur Verfügung gestellt hätte.
Und ich schämte mich, als ich das hörte. Ich war wieder einmal auf meine Vorurteile reingefallen.

Wilfried Niggeloh

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