Gedanken zur Zeit

08. Mai 2019

Man trifft sich

Abendandacht 1958 in einem Urlaubsort. Ich war sehr früh gekommen und hatte mich diskret nach hinten gesetzt. Diejenigen, die nach mir kamen, machten es ähnlich. Jeder schien seinen Platz so zu wählen, dass er nicht unmittelbar neben einem anderen Besucher zu sitzen kam. Platz war ja da. Ein Kopfnicken zur Seit, man ließ sich nieder und wartete auf das, was bevorstand. Die vorderen Reihen blieben leer, Lediglich hinten hatte sich das versammelt, was später al s „liebe Gemeinde“ angeredet wurde.
Etliche Minuten vor Beginn kam jemand eiligen Schrittes herein, ein paar Bücher im angewinkelten Arm, nickte gemessen und ließ sich in der ersten Reihe nieder. Von diesem Augenblick an verebbte das Geflüster. Denn der Zuletzgekommene war, wie man in Süddeutschland sagt, „der Herr Pfarrer“. In immer kürzeren Abständen blickte der verstohlen zur Armbanduhr. Aber noch war der Organist nicht da. Schließlich huschte der herein, setzte sich auf dem Hocker zurecht. Der Pfarrer schritt zum Pult, „hielt“ – wie man so sagt – eine Ansprache, und die Veranstaltung rollte ab wie eine Aufführung.
Wie das wirkt! Dachte ich erschrocken. Feierlich, gewiss. Der Würde eines Gottesdienstes durchaus angemessen. Aber anders geht’s natürlich auch, und so erleben ja viele ihre Kirche: Locker, gelöst, gesellig, fröhlich, einladend und mit viel Musik. Es sind eben die unterschiedlichsten Lebenssituationen, denen sie eine Heimat bietet. Geht`s doch bei dem, was sie zu sagen hat, um etwas Erfreuliches, um Lichtblicke und positive Nachrichten und keine Negativ-Schlagzeilen. Kurz: Die „Frohe Botschaft“ in einer leidgeprüften Welt!

Friedrich-Wilhelm Stock, Superintendent i.R.

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