Gedanken zur Zeit

23. Oktober 2019

Sub·si·di·a·ri·tät – schaut man im Netz nach, so erscheint es silbenweise proportioniert. Braucht man solche unaussprechbaren Dinge? Lateiner (subsidiarius) oder auch Franzosen (subsidiaire) wissen, dass das etwas mit Rangfolge und Unterstützung zu tun hat, mit Hilfe und Reserveleistung. Und schon ahnen auch wir, dass das doch etwas Wichtiges sein könnte. Etwas Grundsätzliches, das unser Zusammenleben gerade in Deutschland und Europa grundlegend klärt. Auch wenn wir es kaum aussprechen können, so regelt das Subsidiaritätsprinzip unser Staatwesen in vielerlei Hinsicht. Es durchzieht Rechtsprechung, Versicherungen und Sozialgesetzgebung, das Zusammenwirken von Bund, Ländern und Kommunen, von Staat, Wohlfahrt, Ehrenamt und Wirtschaft. Es wurde bedacht schon von Aristoteles, von den Protestant*innen bei der Neuordnung nach der Reformation, in der katholischen Soziallehre, von Philosoph*innen und Politiker*innen.
Ja, es soll die Demokratie stärken und das Grundrecht jedes Menschen, seine unantastbare Würde unabhängig von seinem Geschlecht, seinem Alter, seiner Herkunft, Nationalität, Weltanschauung oder Religion. Denn das Subsidiaritätsprinzip gibt dem einzelnen Menschen das Recht, sein Leben möglichst frei und selbstverantwortlich zu regeln. Der Vorrang liegt „unten“ beim Individuum, bei der Familie, bei kleinen Gruppen. Erst wo die an Grenzen kommen, sollen übergeordnete Strukturen eingreifen und unterstützen, regeln und klären.
Fatal, wenn die Menschen das Gefühl haben, es sei umgekehrt. Fatal auch, wenn sie meinen, sie hätten höhere Rechte als andere, oder könnten die Maßstäbe für andere setzen. Ein Zusammenleben von über sieben Milliarden Menschen auf einer Erde ist anspruchsvoll. Auch von 140.000 im Heidekreis. Das geht nicht einfach so. Den Subsidiaritätsgedanken finde ich dazu hilfreich. Denn er sieht den Einzelnen und das Ganze. Lesen Sie es gern nach, sprechen Sie darüber - die dunkle Jahreszeit bietet dazu Gelegenheit. Auch die Gottesdienste dieser Zeit bieten dazu Bedenkenswertes.

Diakoniepastorin Rosl Schäfer

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