Mitgegeben auf den Weg

16. März 2019

Wer ist „gerecht“?

Ein „Gerechter“: was ist das? Zum Beispiel jene Frau,75 Jahre alt, die mir sagte, sie sei noch nicht „getaucht“. Sie war kurz zuvor aus Russ-land gekommen. Ihre Eltern waren Baptisten gewe-sen, bei ihnen werden die Täuflinge unterge-taucht. Sie war früh zu Pflegeeltern gekommen, die nicht sehr liebevoll mit ihr umgingen. Wenn sie sonntags zur Kirche ging, als einzige aus dem Haus, ging sie barfuß bis zum Eingang des Dorfes. Dort erst zog sie ihre Schuhe an, und dort zog sie sie auf dem Heimweg wieder aus, um das Schuhwerk zu schonen. Wer einen Blick dafür hatte, musste damals schon an ihrem unbeugsamen Dulden sehen: dieses Mädchen ist gläubig, sie will mit Ernst eine Christin sein: sie gehört zu den „Gerechten“.
Als sie hätte getauft werden sollen, als junge Erwachsene, gab es in der Umgebung keine Baptis-tengemeinde, deshalb war sie „noch nicht ge-taucht“. - Sie heiratete früh, ihr erster Mann ging fort und kam nicht wieder. Mit ihrem zwei-ten Mann hatte sie einige Kinder. Nach Kriegsen-de kam sie für zehn Jahre in ein Zwangsarbeits-lager, und nach dem Tod ihres dritten Mannes war sie nach Deutschland gekommen. Hier habe ich sie, 76-jährig, getauft. Sie wurde mit ihrer schlichten Freundlichkeit und ihrem gläubigen Humor die Seele in unserem Seniorencafé. Immer heller leuchtete ihr Glaube, ihre Gerechtig-keit...

Peter v. Baggo, Pastor i.R., Bierde

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