Gedanken zur Zeit

22. Juli 2020

Soll Erziehung überhaupt sein?

So fragen sich manchmal Eltern, auch Erziehungsberater…
Soll und muss der junge Mensch erzogen werden – oder kann er sich nicht eher sogar aus sich heraus zu seinen Möglichkeiten, zur reifen Persönlichkeit entwickeln, entfalten?
In jeder Epoche unserer Kulturgeschichte wird darüber nachgedacht und philosophiert – werden Erfahrungen gesammelt und verwertet. Pädagogik wird als Geisteswissenschaft, aber auch als Erfahrungswissenschaft geprägt – und prägt uns gegebenenfalls, wenn wir als Erwachsene uns bewusst dem Kind und Jugendlichen widmen!
Nach „1968“, nach kulturellen Wandlungen in der westlichen Gesellschaft wurde Erziehung von manchen Theoretikern und Praktikern in Schule und Kindergarten – im Heim oder verschiedenen Einrichtungen – als nicht notwendig, nicht förderlich oder nicht gerechtfertigt gesehen!
Der junge Mensch möge aus sich herauswachsen und reifen – in Gesellschaft und Kultur hineinwachsen. Dies soll selbstbestimmt, durch Einsicht in Notwendigkeiten, quasi natürlich durch Sozialisation geschehen – ideell etwa wie Kinder die bei den Eltern und Großeltern auf einem vielfältig angelegten Bauernhof heranwachsen und naturgegeben hineinwachsen.
Den Erwachsenen, den Eltern bliebe, ein Auge dafür zu haben, dass eben alles „wächst und gedeiht“, wie etwa im Bereich des Gärtners…
Hingegen wird in den vergangenen Jahrzehnten wieder stärker nach der Rückgewinnung des Erzieherischen gefragt. Eltern, Erzieher und Lehrer mögen doch mehr Mut zur Erziehung aufbringen. Es geht um Vorbilder, aber auch um Anleitung, um Nachdruck, Verbindlichkeit, um „Fördern auch durch Fordern“!
Gemeint sind Anregungen, Anstöße, Impulse, ganz bewusst mit einer Intention – eine klar gewollte Einwirkung auf eben den sich entwickelnden jungen Menschen. Nur mit diesem Geleit entwickle sich eine reife und eigenverantwortliche Persönlichkeit. Der Erziehende mit einem Hauch vom Bildhauer?
Wohl in jedem Elternhaus und Heim, in Schule und Kindergarten stellen sich täglich die Zeit- und Grundfragen der Pädagogik. Wir müssen bestmöglich den eigenen Weg, die eigene Komposition hierbei finden.


Harald Werner
Diplom Pädagoge, Lebensberatungsstelle des Evang. luth. Kirchenkreises Walsrode