Mitgegeben auf den Weg

20. Juni 2020

SOMMER!

Ich habe Besorgungen gemacht und bin mit dem Fahrrad auf dem Weg nach Hause. Mein Blick fällt auf eine besonders schöne und kräftige Mohnblume. Sie wächst aus der schmalen Ritze zwischen Bordstein und Straße. Niemand hat sie gesät, niemand hat sie gepflegt, aber da direkt an der Straße hat ein Same es geschafft, zu einer wunderschönen Pflanze heranzuwachsen.
Ich steige vom Fahrrad und bewundere die zarten, orange leuchtenden und leicht knitterigen Blätter, die aufrechte Haltung des schmalen Stängels, die kräftig gezackten Blätter.
Eine Wendung aus der Bergpredigt kommt mir in den Sinn. Jesus sagt dort:

„Seht die Lilien auf dem Feld an, ich sage euch, auch Salomo in seiner ganzen Herrlichkeit war nicht gekleidet wie eine von ihnen.“

Ja, das stimmt, das stimmt auch heute noch – vielleicht würde Jesus es hier mit Blick auf die Blume am Bordstein etwas anders sagen, etwa so:

„Seht diese Mohnblume am Bordstein an! Ich sage euch, keine Moderschöpferin, kein Schneider schafft es, ein so zartes und elegantes Kleid zu entwerfen und zu nähen. Kein Model könnte es so perfekt präsentieren wie diese Pflanze ihre Blüte.“

Jesus hat von den Lilien auf dem Feld erzählt, die wunderschön anzusehen sind, weil Gott sich um sie kümmert. Er wollte seine Zuhörer und Zuhörerinnen ermutigen, sich nicht zu viele Gedanken um ihren Lebensunterhalt, um ihre Zukunft zu machen, weil Gott für sie sorgt – so wie er es eben auch für die ganz einfachen Blumen auf dem Feld, am Wegesrand tut.
Und heute? Mich macht der Anblick dieser Mohnblume vor allem dankbar, dankbar für die verschwenderische Schönheit, in der wir  - immer noch – leben dürfen und für die ich nichts getan habe. Diese Schönheit erobert sich mit Kraft und Zähigkeit auch da ihren Platz, wo ich sie gar nicht erwartet hatte.
Neben dieser Dankbarkeit muss ich auch daran denken, dass wir Menschen in Gefahr sind, die Schönheit der Natur, die uns geschenkt ist, zu zerstören.
Wie unscheinbar ist so eine einzelne Mohnblume an der Straße – und doch lässt sie mich staunen, macht mich nachdenklich und dankbar. Aus dieser Dankbarkeit kann auch etwas wachsen, nämlich der Wunsch, diese Schönheit zu schützen, und der Wille und die Tatkraft etwas zu tun, um diese wunderbare Schöpfung, zu der wir gehören, zu bewahren.
Sommertage voller Schönheit und Dankbarkeit wünsche ich Ihnen.

Ute Hülsmann, Pastorin in Gilten

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