Mitgegeben auf den Weg

22. August 2020
Pastorin Silke Meisner

Atmendes Leben

Zunächst waren die Mitglieder der Heilig-Kreuz-Gemeinde in München-Giesing doch etwas befremdet. Es waren Röntgenbilder, die ihnen der Künstler Christoph Brech für die Glasfenster ihres Chorraumes vorschlug. Genauer gesagt: Röntgenbilder von menschlichen Lungen. Damit verbanden sich für die meisten allenfalls Themen wie Krankheit und Leid. Aber in einigen Gesprächen muss der Künstler die Gemeinde von seiner Idee dann doch überzeugt haben, denn inzwischen wurden hier Glasfenster eingesetzt, die aus über 1000 Röntgenthoraxaufnahmen entstanden sind - von gesunden und kranken Menschen.

Christoph Brech gerät bei ihrem Anblick regelrecht ins Schwärmen:

"Man macht sich keine Gedanken, wie unterschiedlich sie sind.“ Wenn man die Bilder aneinanderreiht wird sichtbar, wie einzigartig jeder und jede einzelne ist. Mit dem Blick in den Körper fallen alle Äußerlichkeiten weg. „Was bleibt, ist der Mensch in seinem Menschsein.“ In einem aufwändigen Prozess wurden die Bilder am Computer bearbeitet und dann mit blauer Farbe auf hellblau gefärbtes Glas gedruckt und gebrannt.

Auch Gemeindeglieder haben eigene Aufnahmen zur Verfügung gestellt. Inzwischen haben sie ihren Platz im Chorfenster rechts vom Altar gefunden - dort, wohin sich der Kopf des Gekreuzigten neigt. Doch nur die Stifter selber wissen, wo genau ihre gläsernen Lungenflügel wie lautlose Gebete im hellblauen Fenster schweben.

In der Schöpfungserzählung der Bibel heißt es: „Gott blies dem Menschen den Lebensatem in seine Nase. Da wurde der Mensch atmendes Leben.“

Silke Meisner, Pastorin in der Klinik Fallingbostel

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