Mitgegeben auf den weg

03. Oktober 2020
Pastor Claus van Veldhuizen

Erntedank

Wir pflügen und wir streuen den Samen auf das Land – doch Wachstum und Gedeihen steht in des Himmels Hand. So werden wir es morgen wieder im Gottesdienst hören. Für mich gehört dieses Lied von Matthias Claudius zum Erntedankfest wie die Erntekrone und der geschmückte Altar.
Am Ende der vierten Strophe werde ich jedes Jahr plötzlich aus meiner zufriedenen Stimmung gerissen, wenn es heißt: Er lässt die Sonn aufgehen, er stellt des Mondes Lauf; er lässt die Winde wehen und tut den Himmel auf. Er schenkt uns so viel Freude, er macht uns frisch und rot; Er gibt den Kühen Weide und unsern Kindern Brot.
Und unsern Kindern Brot
, dieser knappe Halbsatz hallt in mir nach. Jedes Mal überlege ich mir an dieser Stelle unwillkürlich, wie sich das wohl anfühlt: Wenn ich unseren Kindern beim Abendbrot sagen müsste: Es gibt nichts mehr! Weltweit ist die Zahl der Hungernden nach wie vor sehr hoch. Für viele Eltern ist das also – fast 250 Jahre nach Matthias Claudius – immer noch eine reale Erfahrung.
Einen Moment lang wirft mich dieser Gedanke aus der Spur. Unsere schön geschmückte Dorfkirche, die festliche Erntedankfeier, das alles kommt mir angesichts der dramatischen Lage in Bangladesch oder Somalia plötzlich unpassend vor. Aber dann wird mir klar: Vielleicht ist es doch gut, jedes Jahr so – ganz traditionell – Erntedank zu feiern.
Weil gerade dieses Fest deutlich macht: Sich keine Sorgen ums tägliche Brot machen zu müssen, ist nicht selbstverständlich, sondern ein Grund zur Dankbarkeit. Und weil es nicht nur, aber gerade auch in den Gemeinden, wo so gefeiert wird, viele Menschen gibt, die helfen. Sie sehen es nicht nur als Geschenk an, dass es ihnen so gut geht, sondern auch als Verpflichtung. Deshalb kümmern sie sich um sozial Benachteiligte, spenden an Hilfsorganisationen oder helfen regelmäßig bei der Tafel.
Auch für dieses Engagement bin ich dankbar. Ebenso wie für die Mühe der Landwirte, die jedes Jahr für mich säen und ernten und das wirtschaftliche Risiko tragen, wenn die Ernte nicht gut ist. Deshalb feiere ich doch immer wieder gerne Erntedank. Mit geschmückter Kirche und auch mit dem Lied von Matthias Claudius.

Claus van Veldhuizen aus Kirchboitzen

Übersicht Andachten