Die Walsroder Stadtkirche wird in diesem Jahr 175 Jahre jung – und dass ein Kirchengebäude weit mehr ist als Steine, Glocken und Gebälk, zog sich am Freitagabend als roter Faden durch einen beeindruckenden Vortrag von Regionalbischöfin Marianne Gorka. Angefangen von der Perspektive einer 1849/50 am Bau beteiligten Walsroder Handwerkerfamilie schlug Frau Gorka den Bogen über verschiedene Charaktere in unterschiedlichen Zeiten der Stadt(kirchen)geschichte. Dieser reichte bis heute zu der gar nicht so imaginären 17jährigen Luise, die mit ihren Freunden einen religions- und kulturübergreifenden Dialog führt.
Die sich im Zeitlauf verändernde Bedeutung, die Kirche für die Menschen hat, wurde dabei anhand der verschiedenen Lebensgeschichten sehr anschaulich. Es ging um den frühen Stolz auf den imposanten Kirchenbau inmitten der Stadt ebenso wie um Kirche als Ort der Freude und Trauer, und nicht zuletzt um die Funktion der Kirche als privater Rückzugsort für ein stilles Gebet. Auch die einstige Vereinnahmung von Kirche in Kaiserzeit und Diktatur blieb am Freitagabend nicht unerwähnt. Als Leitmotiv trat jedoch immer wieder hervor: „Kirche als Ort für Liebe, Würde und inneren Halt“ – durch Glauben, aber auch durch die Beständigkeit der Institution Kirche im Herzen der Stadt.
Einen besonders aktuellen Bezug erhielt der Vortrag von Frau Gorka durch die Parallelen zwischen den gesellschaftlichen Umständen im Jahr der Grundsteinlegung 1848 und dem heute wieder erkennbar notwendigen Eintreten für die Werte der Demokratie. Während 1848/1849 in der Frankfurter Paulskirche die erste deutsche Demokratie das Licht der Welt erblicken sollte und letztlich scheiterte, bauten sich die Walsroder eine neue Stadtkirche. Heute begehen die Walsroder das 175jährige Bestehen Ihres Kirchenbaus und feiern gemeinsam mit vielen Ehrenamtlichen und der Initiative „Der Heidekreis ist bunt“ ein Fest für Demokratie und Vielfalt. Rund um Kirche, Gemeindehaus und Kloster ging es insbesondere am Samstag darum, sich gemeinsam gegen Geschichtsvergessenheit und das Wiederaufflammen rechtsextremen Gedankenguts zu stellen.
Übrigens: Der Auftrag des seinerzeitigen Architekten und Konsistorialbaumeisters Ludwig Hellner war es, die Stadtkirche als Garnisonskirche für die damals noch königlich Hannoverschen Truppen zu entwerfen. Garnisonsstandort ist Walsrode zwar nicht mehr geworden; dafür profitieren Stadt und Region bis heute von dem großen Sakralbau, der über 1.400 Menschen Raum gibt für vielfältige kirchliche und - Dank hervorragender Akustik – nicht zuletzt auch musikalische Veranstaltungen.