„Deine Untertasse scheppert. Du hast die mit dem Sprung erwischt.“ Sofort hebt mein Mann die Tasse noch einmal an und setzt sie wieder auf der Untertasse ab. Wieder scheppert es. „Stimmt“, sagt mein Mann und betrachtet nachdenklich die Untertasse.
Unser Tee-Service ist über 30 Jahre alt, einige Tassen und Untertassen sind immer noch tadellos, aber viele haben inzwischen eine Macke, weil etwas abgesprungen ist. Aber nur eine hat einen ganz kleinen, feinen Haarriss, der durch die gesamte Untertasse läuft. Statt eines hellen „Pling“ ist nur ein dumpfes Scheppern zu hören, wenn man eine Tasse darauf absetzt. Diese kleine Macke macht diese Untertasse unverwechselbar.
Wenn schon maschinell hergestellte Massenware wie zum Beispiel Untertassen im Laufe der Zeit immer individueller und unverwechselbarer werden, um wieviel mehr muss das für jeden einzelnen Menschen gelten, der ganz individuell geschaffen wurde.
Es ist der feine Haarriss, der diese eine Untertasse zwischen unseren anderen Untertassen zu einem einmaligen Unikat macht. Die vergangenen Jahre sind nicht spurlos an ihr vorübergegangen und haben ihre Spuren hinterlassen. Und es ist ausgerechnet eine Macke, die diese Untertasse zu etwas Besonderem macht.
Ich glaube, das gilt auch für uns Menschen. Ist es nicht ein Zeichen von Einmaligkeit und Unverwechselbarkeit, wenn unsere gelebten Jahre ihre Spuren an uns hinterlassen? Vielleicht ist es auch ein Zeichen der Fehlerfreundlichkeit Gottes, wenn Gott uns Menschen nicht als perfekte Geschöpfe erschafft, sondern jeden und jede von uns auch mit einer Macke ausstattet. Du musst nicht vollkommen sein. Auch deine Macke macht dich unverwechselbar und wertvoll.
Ute Hülsmann, Pastorin in der Krankenhausseelsorge Walsrode