„Mitgegeben auf dem Weg“ - Früher war alles besser!

Nachricht 31. Oktober 2014

 „Früher war alles besser!" Immer häufiger höre und lese ich, wie die „goldenen Zeiten" einer wunderbaren Vergangenheit beschworen werden. Die Kämpfer der IS in Syrien und im Irak wollen den „ursprünglichen" Islam der Zeit Mohameds und kurz danach wieder herstellen. Die russische Regierung knüpft mit ihrer Politik an die glorreichen Zeiten der UDSSR oder besser noch der Zarenherrschaft an. Separatistische und nationalistische Gruppierungen in Europa orientieren sich an den heroischen Momenten der Vergangenheit, die sie wieder heraufführen wollen mit ihrer Politik einer reinen „Nation", die in Abgrenzungen zu sich selber kommt. So wie es mal gewesen ist, so soll es wieder werden! Es lohnt sich dafür zu kämpfen, diesen wunderbaren Ursprung wieder herzustellen. Die Faszination der ursprünglichen Anfangssituation begeistert gerade junge Menschen, sich mit aller Macht für das Paradies der Vergangenheit einzusetzen, manchmal mit brutaler Gewalt. Es gibt bestimmt verständliche Gründe, sich in die gute alte Zeit zurück zu träumen. Nicht zuletzt deshalb, weil die trostlose Gegenwart zum Himmel schreit und als entwürdigend erlebt wird. Das war ja nicht immer so! Wir waren ja mal wer! Wir haben Respekt und Würde verdient, wie zu unseren guten Zeiten! Für mich ist diese große Sehnsucht nach Respekt, Würde, Anerkennung und nach einem guten Leben zu spüren, wenn es um unsere persönlichen Paradiese geht. Es spricht nichts dagegen, sich immer wieder mal zurückzusehnen in die Geborgenheit der guten Zeiten seines Lebens. Auch die Paradiesgeschichte in der Bibel erinnert uns daran, wie herrlich es sich Leben ließ im Garten Eden, wie wunderbar es angefangen hat. Aber, und auch das ist eine biblische Grunderfahrung, wir leben Jenseits von Eden, wir sind nicht mehr im Paradies. Und das gilt auch für die verklärten Paradiese unserer Vergangenheit. Abgesehen davon, dass die heraufbeschworenen Ursprünge alles andere als rosig waren und als Modell für unsere Zeit nicht mehr taugen, bleiben sie uns verschlossen. Was uns bleibt ist die Sehnsucht nach einem menschwürdigen Leben, nach Respekt und Anerkennung. Es stünde der aktuellen Politik gut an, hier aufmerksamer zu sein und zu zuhören. Ich würde gerne mit den rückwärtsgewandten Kämpfern unserer Tage über ihre Träume und Hoffnungen ins Gespräch kommen: Über eine gute Zukunft und nicht über eine verklärte Vergangenheit.

Herbert Seevers, Pastor in Walsrode

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