„Mitgegeben auf den Weg"

Nachricht 24. April 2015

"Wir waren früher auch nicht willkommen."

Etwas barsch kommt dieser Satz heraus. Ich frage nach, wie sie das meint. Zuerst etwas zögerlich, dann immer lebendiger beginnt die alte Dame zu erzählen. Von ihrer Flucht aus Ostpreußen bis hierher auf ein Dorf in der Südheide. Wie die Familien aufgeteilt wurden auf die Bauernhöfe. Die Einheimischen den Zugereisten nur widerwillig Platz machten. Sie kaum etwas zu essen hatten, gezwungen waren, nachts auf den Feldern Kartoffeln zu stehlen. Wie jahrelang unterschieden wurde zwischen den Einheimischen und den Flüchtlingen. "Dabei sind wir doch auch Deutsche", berichtet mir die 85jährige.
Wir sprechen über Flucht und Vertreibung, damals und heute. Wie tief sich Angst in die Seele brennt. Und auch das Gefühl, abgelehnt zu werden. "Schrecklich, was die armen Menschen in Syrien und in Afrika durchmachen müssen," meint meine Gesprächspartnerin. "Sie haben es ja auch erlebt und wissen, wie man sich fühlt", antworte ich.
Und dann sind wir uns einig darin, dass wir helfen müssen. Und die Fehler von damals nicht wiederholen dürfen. "Das wird aber schwierig, die ausländischen Flüchtlinge freundlich aufzunehmen, wenn das schon damals mit den Angehörigen des eigenen Volkes nicht gut geklappt hat" meine ich. "Ach, wenn man will, geht das schon," antwortet mir die Dame plötzlich fest und bestimmt. "Wir alle sind doch Menschen. Wir müssen uns nur in die Augen schauen."
Nachdenklich fahre ich nach Hause. Willkommenskultur ist ein großes Wort, das derzeit in aller Munde ist. Einander in die Augen schauen. Damit beginnt es. Und zuhören, was Menschen auf der Flucht erlebt haben. Das hoffentlich öffnet Herzen. Und Türen.

Sven Quittkat ist Referent für diakonische Theologie in der Diakonie in Niedersachsen.

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