„Mitgegeben auf den Weg"

Nachricht 16. Dezember 2015

Am kommenden 3. Sonntag im Advent hören wir in Gottesdiensten Worte des Propheten Jesaja: „Bereitet dem Herrn den Weg, denn siehe, der Herr kommt gewaltig“. Jesaja 40,3

Wir erleben gegenwärtig in unserem Volk und Land eine bisher nicht gekannte Ankunft von Flüchtlingen, die aus unterschiedlichen Motiven ihre Heimat verlassen haben, und den langen, beschwerlichen, auch gefahrenvollen Weg zu uns nach Deutschland unternommen haben.
Könnte ihr Fluchtweg als „Weg des Herrn“ gesehen werden? Könnten wir als ersehntes Land uns anmaßen zu sagen: „Er-Gott- kommt gewaltig, er kommt mit himmlischer Macht, himmlischem Frieden, himmlischem Heil und Segen!?“ Wir wären überheblich! Wir hören und lesen, dass die Geflüchteten im Land ihrer Träume nicht überall offene Türen vorfinden. Mancherorts sprechen hohe Zäune Machtworte gegenüber ihren Fluchtzielen.
Auch ich selbst war vor 70 Jahren als Kind auf der Flucht. Meine Mutter flüchtete mit uns zwei Kindern in Richtung Westen. Wir flüchteten nicht allein, sondern alle Einwohner aus unserem Dorf, aus allen Dörfern und Städten, aus allen Landkreisen in Schlesien flüchteten. Unsere Flucht geschah in Eiseskälte vor dem totbringenden Kanonendonner durch russische Soldaten.
Unsere Flucht war keineswegs abenteuerlich, sie war vielerlei Gefahren ausgesetzt. Manche starben unterwegs, ehe wir im Riesengebirge und in Prag ankamen. Mit uns flüchtete der Pastor aus unserer Kreisstadt mit seiner Gemeinde und seinen Konfirmanden, die bald konfirmiert werden sollten. Nach etlichen Tagen kamen sie zu einer bekannten Kirche in Hirschberg, in die der Pastor seine Konfirmanden und die Angehörigen einlud. Die Kinder stellten sich vor dem Altar auf. Sie sangen miteinander ein Lied, hörten Worte zur Konfirmation und erhielten in ihrer Fluchtkleidung die Not- Konfirmation. Der Pastor betete mit ihnen allen (die Väter waren im Krieg) und bat um den Frieden Gottes für sie, auch für ihr Überleben auf der weiteren Flucht. Draußen tobten in der Ferne weiter die mörderischen Gefechte, doch in den Herzen der Konfirmanden und ihrer Angehörigen klang die Segenshandlung noch nach. Sie machte Mut, in der unsicheren Zukunft Gott zu vertrauen.

Pastor em. Werner Krutscher, Walsrode

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