Andrea Nahles ist von der Bühne gegangen. Sie ist nicht abgetreten, weil sie nicht mehr gewählt worden ist oder ein Gegenkandidat ihren Posten übernommen hätte, nein, sie ist gegangen, weil sie keinen Rückhalt mehr bei ihren Mitstreitern hatte. Nach der Europawahl stand die Vorsitzende in der Kritik. Eigentlich nichts Ungewöhnliches nach einem schlechten Ergebnis. Es ist wohl nicht so einfach, sich auf den politischen Brettern zu behaupten. Manche meinen, es wäre ein Schmierentheater, was dort aufgeführt wird. Nicht die Inhalte wurden kritisch befragt und diskutiert. Es ging um persönliche Animositäten und fehlende Wertschätzung. Ein Trauerspiel wurde inszeniert. Die Akteure auf der politischen Bühne kämpften nicht mit offenem Visier, nein, es gab keine Abstimmungen, keine Kämpfe um Inhalte und Strategien. Es wurde auf einmal persönlich. Und es wurde auf eine Person gezeigt. In einer Partei, die Solidarität in ihrem Parteiprogram hochhält, eine Vorgehensweise, die dem eigene Anspruch nicht gerecht wird. Nicht Frau Nahles war an allem schuld! Viele Menschen haben entschieden, mitgestaltet und agiert. Dass es einen Streit um die richtigen Inhalte und um die bessere Politik gibt, gehört zum Geschäft. Aber wo der Respekt und die Wertschätzung auf der Strecke bleiben, da wird es unmenschlich. Genau dieser Umgang mit Frauen und Männern, die sich in den Dienst der Demokratie stellen, trägt nicht dazu bei, Politik attraktiv zu machen. Unser Staat und unsere Gesellschaft brauchen Menschen, die sich engagieren und ihre Persönlichkeit und ihre Kreativität in die Politik einbringen. „Menschlich bleiben!“ - auch auf den Bühnen der Macht. Für mich heißt das, die Mitspieler nicht an die Wand zu spielen, sondern den Anderen gut aussehen zu lassen und ihn mit seinen Fähigkeiten zum Leuchten zu bringen. Jesus hätte seinen Weggenossen Petrus auch in die Wüste jagen können bei dem, was er alles nicht hinbekommen hat. Von diesem Petrus hören wir in der Pfingstgeschichte, wie er Leiter der Urgemeinde wurde und den Grundstein für die christlichen Gemeinden gelegt hat.
Herbert Seevers, Pastor in Walsrode