Mitgegeben auf den weg

20. Juli 2019

In schwarz-weißer Optik lächelt er mich an. Mein Blick wandert über das Foto. Eine Hand liegt stolz auf seinem Fiat 500. Ich schlage die Seite um: ein paar Sonnenschirme am Strand, Italien vor dem Reiseboom der Wirtschaftswunderjahre. Das Fotoalbum ist voller rechteckiger Erinnerungen, mit markantem Wellenschnitt am Rand.
Seite um Seite durchblättere ich. Meine Hände streifen durch dieses Leben. Es ist nicht meins. Lange bevor ich auf der Welt war, wurde es gelebt. Ich tauche trotzdem sofort in die Fotos ein. Stelle mir vor, wie es damals wohl war: Das erste Auto zu besitzen, vom eigenen Lehrlingsgeld bezahlt. Und dann ab in den Süden.
Konserviert und archiviert auf ein paar Seiten. Von einem Menschenleben bleiben oft die Fotoalben zurück. So halte ich das Album meines Vaters in den Händen.
Manche Fotos fangen an zu laufen. Sie erzählen Geschichten vom Lachen und Tanzen auf Hochzeiten und vom Weinen, als die ersten Freunde gingen. Vom ersten Kuss, vom Hausbau und auch vom Scheitern der Ehe. Ich halte meine Tränen zurück.
Dann die letzte Seite. Abschied. Ich schließe das Album, stelle es weg. Ich muss schmunzeln. Mein Herz hat längst alles festgehalten, was zwischen uns wichtig war und bleiben wird.
Jemand aus dem Alten Testament der Bibel sagt über unsere Erinnerung: „Gott hat alles schön gemacht zu seiner Zeit, auch hat er die Ewigkeit in das Herz der Menschen gelegt; nur dass der Mensch nicht ergründen kann das Werk, das Gott tut, weder Anfang noch Ende.“

Pastor Christian Nickel, Ev.-luth. Paulus-Kirchengemeinde Bomlitz

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