Mitgegeben auf den Weg

09. Mai 2020

Pass auf! Sie beten wieder …

Wir beten für den Frieden – und der Krieg geht unvermindert weiter. Wir beten darum, dass Menschen wieder gesund werden – und sie müssen dennoch sterben. Wir beten um Hilfe in unseren Lebenskrisen – und werden oft nicht erhört. Beten wir nicht richtig, nicht intensiv genug? Haben wir falsche Vorstellungen von der Wirkung unserer Gebete? Oder müssen wir uns erst noch von dem  Gedanken verabschieden, Gott sei eine Art himmlischer Neckermann, der alles möglich macht? Zwei Umschreibungen dessen, was beten heißen kann, helfen mir weiter: Die erste: Beten heißt sich verändern lassen – und eben nicht Gott verändern wollen, ihm Bedingungen stellen, ihn dazu drängen, der Erfüllungsgehilfe meiner Wünsche zu werden. Wenn ich bete, weitet sich mein Horizont, entdecke ich neue Zusammenhänge, lerne ich meinen eigenen Willen besser kennen und taste mich so an das heran, was Gott mit meinem Leben vorhat. Beten – sich verändern lassen. Und die zweite Umschreibung: Beten heißt das Handeln vorbereiten – und eben nicht dem Handeln ausweichen, die Hände falten und in den Schoß legen, Verantwortung abschieben. Beten befreit nicht vom Engagement, sondern zum Engagement. Wer nicht mehr betet, hat sich mit den Zuständen abgefunden und die Sehnsucht nach Veränderung verloren. Ich habe von César Chávez, dem amerikanischen Bauernführer gelesen, der sich für die Rechte der mexikanischen Einwanderer einsetzt, und der jede seiner Aktionen durch Beten vorbereitet. Seine Gegner sagen dann: »Pass auf! César Chávez hat etwas vor. Er betet wieder. Wenn man das von uns sagen könnte: Pass auf! Sie haben etwas vor. Pass auf! Sie beten wieder …

Pfarrer Norbert Mauerhof

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